Mittwoch, 6. November 2013

[28] Erinnerungen - A.J. Uwarowskij || Otto Böhtlingk und Jakutien

DSC_8195 by Кочергин Владимир

 Utschur

An anderen Stellen war dieses ausgetretene Wasser zum zweiten Mal gefroren und hatte unseren Weg wie ein Spiegel so glatt gemacht. Auf diesem Glatteis konnte ein unbeschlagenes Pferd oder Rennthier keinen festen Fuss fassen.
Aus diesem Grunde hieben zwei Männer mit ihren Beilen oder Messern in das Eis und schlugen Kerben ein; hinter ihnen her gingen wir beständig zu Fuss. An anderen Orten, wo sich nahe stehende, bröckliche schwarze Abstürze befanden, nahmen wir in leeren Behälter trockene Erde oder Sand ein und streuten dieses auf dem Eis auf.

Es traf sich, dass irgendwo aus Versehen das Eis nicht eingekerbt oder keine Erde aufgestreut war; hier glitten unsere 16 bis 17 Pferde aus und stürzten sammt und sonders zu Boden.

Bei einem solchen Stürze glitt all unser Gepäck mit den Sattelgurten und Packsäcken hinunter, zeriss und zerbrach. Mit dem Zurechtmachen dieser Sachen verging ein grosser Theil unseres Reise bestimmten Tages.

Im Verlauf unseres Weges kamen wir bei wunderbaren Bergen vorbei: durch die Heftigkeit der winterlichen Kälte wurde aus der Spitze des Berges Wasser hervorgedrängt, das hinunter fliessend den hohen Berg von oben bis unten mit blitzendem Eis bedeckte.

Wenn die Sonne sich zum Untergange neigte, schlugen die Strahlen der wolkenlosen Frühlingssonne an den Felsen; dieser hohe Eisfelsen erschien wie ein buntfarbiger Regenbogen oder als wenn er bedeckt wäre mit feurigen Edelsteinen. Am Fusse eines solchen Felsens floss das Wasser im Flusse beständig, ohne zu gefrieren.

Es gibt einen Fluss mit Namen Ägna, der von der linken Seite in den Utschur fällt. Reisende nehmen den Richteweg und gehen diesem Flusse entlang.

Es war Aprilmonat; als wir dem Ägna entlang gingen, zeigte sich auf einmal aus der Ferne am Ufer des Flusses eine schwarze bewegliche Gestalt. Zuerst glaubten wir, dass es ein Thier wäre, als wir aber näher kamen, erblickten wir einen Tungusen, der da sass und weinte.

 Quelle Text: Otto Böhtling und Jakutien, Hartmann Kästner, Seite 27 -  Leipziger Universitätsverlag
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  O.N. Böhtlingk     A.Th.v.Middendorff
  Über die Sprache der Jakuten
  Sacha-Jakutien  

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