Fünf Monate lang hat Karl Gorochow den Objekten seiner Suche auf der abgelegenen Insel Kotelny in der Ostsibirischen See nachgespürt. Kälte und Hunger setzen ihm zu, sogar Möwen hat er schon gegessen. Wind und Wetter haben die Wangen des 46-Jährigen unter seinem zotteligen rotblonden Bart aufplatzen lassen.
Die wollhaarigen Riesen, die den Norden Sibiriens gegen Ende der letzten Eiszeit durchstreiften, starben vor etwa 12.000 Jahren weitgehend aus. Nur einige überlebten auf isolierten Inseln im Eismeer etwas länger. Jetzt, da der Klimawandel den Permafrostboden auftaut, kommen ihre bis zu vier Meter langen gebogenen Stoßzähne wieder zum Vorschein: baumstammdickes Elfenbein, das den Menschen im arktischen Sibirien neuerdings ergiebige Einnahmen verschafft.
Heute sind die Stoßzähne der Mammuts zur wirtschaftlichen Hoffnung für eine Region geworden, die nach der Schließung von Bergwerken und Fabriken aus der Sowjetära weitgehend vernachlässigt wurde. Gefördert wird das Geschäft durch das Verbot, mit Elefantenelfenbein zu handeln. Und nicht zuletzt spielt die globale Klimaerwärmung eine Rolle.
Ein weiteres Element, das den Handel mit Mammutstoßzähnen antreibt, ist der Aufstieg Chinas. Fast 90 Prozent aller Mammutstoßzähne aus Sibirien landen in China, wo Legionen von Neureichen die Nachfrage nach Elfenbein regelrecht explodieren lassen.
Fast 700 Euro für ein Kilo Mammutelfenbein
Zum Leidwesen vieler Wissenschaftler, die den Verlust wertvoller Daten beklagen. Denn so ein Stoßzahn enthält viele Hinweise auf Klima und Umwelt zu Zeiten der Mammuts und auf das, was sie fraßen. Artenschützer allerdings, die gehofft hatten, das wachsende Angebot von Mammutelfenbein werde die illegale Jagd auf Elefanten nun eindämmen, wurden enttäuscht.
Der Handel mit Mammutelfenbein ist zwar ungenügend geregelt, aber legal. Die Preise für die beiden Elfenbeinsorten sind annähernd gleich, und nur Experten können sie anhand spezieller Maserungen unterscheiden. Trotzdem gibt es keine Anzeichen dafür, dass in Asien die Nachfrage nach Elefantenelfenbein nachlässt.
Wie stark die Nachfrage in China ist, wissen auch die Männer im Norden Jakutiens ganz genau: In der Hauptstadt Jakutsk hat sich der Preis für erstklassige Mammut-stoßzähne in nur zwei Jahren auf umgerechnet knapp 700 Euro pro Kilo verdoppelt. Jenseits der chinesischen Grenze kann der Preis auf das Doppelte ansteigen, ein aufwendig geschnitzter ganzer Stoßzahn kann ein Vermögen kosten.
Bei meiner Ankunft im Dorf Kasatschje am Fluss Jana bereiten sich gerade ein paar Männer auf ihre Tour in die Tundra vor: mit Schneemobilen, Tragflügelbooten, sogar mit sowjetischen Kettenfahrzeugen. Als ich mir an einem Gletschersee mit Elfenbeinsuchern den Schlamm und das Eis am Ufer ansehe, taucht ein junger Mann im Taucheranzug zitternd aus dem eiskalten Wasser auf: Er hofft, dort etwas zu finden, wo kein anderer sucht. Flussabwärts fräsen zwei Männer mit Wasser aus Hochdruckschläuchen eine Rinne in den Steilhang aus geschwärztem Eis, mitten hinein in eine Ansammlung von Stoßzähnen, Knochen und Kadavern.mehr
Quelle: Elfenbein im Permafrost: Die Mammut-Jäger