Mittwoch, 10. Juni 2015

[40] Erinnerungen - A.J. Uwarowskij || Otto Böhtlingk und Jakutien

Zelt der Ewenken | source

Am vierten Tag brachten unserer Führer mit genauer Noth 6 aufgefundene Rennthiere, die übrigen waren bis auf die Spur verloren gegangen. Nachdem wir, sogleich nach der Ankunft unserer Führer mit den Rennthieren, unser, in drei Finger dickes Eis und Schnee verwandeltes dünnes Zelt mit grosser Mühe zum Auftauen gebracht hatten, machten wir uns den selben Tag auf den Weg.

Der September-Monat ist, wie ich oben bemerkt habe, zum Reisen ausserordentlich ungünstig: die von Gras durchwachsenen Flüsse, die Ausflüsse der Seen und die Oberfläche des schmutzigen Wassers gefrieren ein oder zwei Finger dick und werden mit Schnee bedeckt; sobald das Rennthier auftritt, bricht das Eis, nicht im Stande die Last zu tragen entzwei; das Rennthier fällt bisweilen so durch, dass es ganz verschwindet, und wer darauf reitet, fällt mit ins Wasser, wenn er auch noch so vorsichtig zu Werke geht.


Kaum war ich von dem erwähnten Ort, wo wir drei Tage verweilt hatten, aufgebrochen, so fiel ich auf diese Weise in’s Wasser und reiste darauf, bis auf die Knochen durchnässt, von Mittag bis in die dunkle Nacht.

In diesen sechs bis sieben Stunden wurde ich mit meinen Kleidern und mit mir selbst zu Eis: meine Hände und Füsse erstarrten so, dass ich nichts mit ihnen fühlte; ich glaube, dass eine gefährliche Krankheit über mich kommen würde. Zu meinem Glück liess ein grosses angezündetes Feuer, heisser Thee und eine warme Decke mich nicht krank werden.

Den zweiten Tag langten wir in der Grenzfeste an. Nachdem ich hier 10 Tage Zurüstungen getroffen hatte, trat ich mit zwei Kosaken und zwei Führern und gegen 30 Rennthieren meine lange Reise an, am Ende desselben Septembers, da alles Wasser gefror und der Schnee in Massen fiel.

Von der Gränzfeste Udskoi gingen wir südöstlich nach dem Ort Borukan der ungefähr 50 Kös von Udskoi entfernt. Von diesem Orte sind bis zum Meer 4 Kös bis zur Mündung des Flusses Amur, der in’s Meer fällt, drei bis vier Tagesreisen. Von Borukan bis zum Ursprung des Byraja sind 60 Kös, von der Byraja ist der Fluss Silimdschi gegen 30 Kös entfernt, vom Silimdschi nach Udskoi sind es etwa 60 Kös.

Am ersten Tage unserer Reise stiegen wir am Orte, wo wir zu übernachten gedachten von den Rennthieren, nachdem wir nur 2 Kös zuckgelegt hatten.

Kaum war man abgestiegen und hatte vor Allem den Rennthieren das Gepäck abgenommen, so liess man diese sammt und sonders frei, indem man den scheuen Rennthieren an den Hals ein, einen Faden langes und armdickes Holz in die Quere band, damit, wenn sie am andern Morgen beim Einfangen sich nicht fangen lassen und davonlaufen sollten, das angebundene Holz an die Kniee des Rennthiers  schlüge und dasselbe nicht weit laufen liesse.

Hierauf ergriff ein Führer ein langes Holz, untersuchte den Boden unter dem Schnee, indem er diesen durchstach, und machte einen harten Grund ausfindig. Bis ich mit meinen zwei Kosaken mit Hilfe dreier Schaufeln, die wir mit uns genommen hatten, den tiefen Schnee an diesem Orte wegschaufelte, spaltet ein Führer Holz zum Feuermachen in kleine Stücke, der zweite schnitt gegen 30 Stangen ab, reinigte sie zu dieselben von den Zweigen und schleppte sie zu der Stelle, wo wir den Schnee weggeschaufelt hatten.

Hier stellt man zuerst drei Stangen, deren Spitzen man zuvor zusammengebunden hatten, ausgespreizt auf; nachdem man um diese zusammengebundenen  Stangen alle die  übrigen abgeschnittenen Stangen rund herum gestellt hatte, überzog man diesselben ganz dicht mit grossen zusammengenähten gegerbten Rennthierhäuten, so dass man nur oben eine kleine Öffnung liess, damit der Rauch hinaus gehen könnte.

 Label: Ewenken

Quelle Text: Otto Böhtling und Jakutien, Hartmann Kästner, S. 42 | Leipziger Universitätsverlag
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  O.N. Böhtlingk     A.Th.v.Middendorff
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